„Toby, mein Zarter“

Eine kleine Hommage an Hamburg. Eine Stadt, die ich schon früh zu respektieren gelernt habe. Und die ich gern hab. Vor allem die Menschen da. Hanseaten.

Einen tiefen, besonderen Eindruck von Hamburg und seinen Menschen hat ein väterlichen Freund bei mir hinterlassen, der vor einigen Tagen gestorben ist. Wenn ich ihn anrief, kam laut und fröhlich immer die gleiche Begrüßung durch die Telefonleitung: „Tobi, mein Zarter!“ – oder besser, phonetisch wahrer: „Toby, moin Zahrtär“… Norddeutsch eben.

Ich weiß noch, wie ich mit ihm das erste mal auf dem Hamburger Fischmarkt war. Morgens um 05 Uhr natürlich. Und um 05.30 Uhr saßen wir dann in der Fischauktionshalle mit Bratkartoffeln und Bier. Für ihn immer nur Köpi. Eiskalt. Das trank er (untypisch für Hamburg, aber so war es).

Ein besonderes Ritual waren die Treffen in der „Glocke“. Eine Kneipe, besser eine Institution am Isemarkt. In den paar Monaten, in denen ich in seiner Firma mitgearbeitet habe, hat er mich mindestens einmal die Woche mitgenommen – in die „Glocke“. Irgendwann hieß es dann am frühen Nachmittag: „Toby, ab in die Glocke“.

Ich war irgendwie Mitte Zwanzig, um mich herum saßen dann da an jedem gegebenen Wochentag dieselben alten Männer. Steuerberater, Anwälte, Unternehmer und natürlich auch ein paar kaputte. Hamburger Jungs eben. Manchmal saß an irgendeinem Tisch Hellmuth Karasek. Ich saß immer am Tresen. Und durfte das alles miterleben. Auch in der „Glocke“ gab es Köpi. Und Frikadellen.

Günther, das war sein Name, war einmal ein unheimlich erfolgreicher Unternehmer gewesen. Sein Rolls-Royce war legendär.

Sein Büro sah immer noch so aus. Es war klassisch holzgetäfelt. Mittendrin sein großer Schreibtisch (natürlich ohne irgendeinen Rechner). Irgendwo stand ein gußeiserner Adler. Vor dem Schreibtisch zwei Ledersessel.

Wenn man da – vor seinem Schreibtisch – Platz nahm, saß man immer deutlich tiefer als er.