Helmuth James Graf von Moltke an Peter Graf Yorck von Wartenburg (17. Juni 1940)

Die Grundlage aller Staatslehre besteht für mich etwa in folgenden Grundsätzen:

I.

Es ist nicht die Bestimmung des Staates Menschen zu beherrschen und durch Gewalt oder durch Furcht vor Gewaltanwendung zu zügeln, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, die Menschen in eine solche Beziehung zueinander zu bringen und sie darin zu erhalten, daß der Einzelmensch von jeder Furcht befreit in voller Sicherheit und doch ohne Schaden für seinen Nächsten zu leben und zu handeln vermag.

II.

Es ist nicht die Bestimmung des Staates, Menschen zu wilden Tieren oder zu Maschinen zu machen, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, dem Einzelmenschen denjenigen Rückhalt zu geben, der es ihm ermöglicht, Körper, Geist und Verstand ungehindert zu betätigen und zu entwickeln.

III.

Es ist nicht Aufgabe des Staates, unbedingten Gehorsam und blinden Glauben an sich oder an etwas Anderes vom Menschen zu fordern, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, den Einzelmenschen dahin zu führen, daß er nach den Geboten der Vernunft lebt, die Vernunft bei allen Dingen betätigt und ihn sogleich dahin zu leiten, dass er seine Kraft nicht in Haß, Ärger, Neid verschwendet oder sonst unrecht handelt.

Die letzte Bestimmung des Staates ist es daher, der Hüter der Freiheit des Einzelmenschen zu sein.

Dann ist es ein gerechter Staat.