Direct to Artist (D2A): Ticketmaster kauft Irving Azoffs Frontline Management

Ein alter Artikel von mir – zuerst veröffentlicht auf blog.de (RIP) am 24.10.2008

Daß das 360Grad-Modell nicht nur von den Labels gedacht wird, sondern auch von der Live-Entertainment-Branche ist nicht neu. Seinen Einfluß auf weitere Teile der Wertschöpfungskette der Musikindustrie auszuweiten und so Umsatz und Dealflow zu steigern (oder mindestens stabil zu
halten), ist in Zeiten, in denen ich auf Eventim.de MP3s downloaden kann, auch keine bahnbrechend neue Strategie.

Aber die aktuellen News sprechen noch eine andere Sprache:
Ticketmaster übernimmt die Mehrheit an der wohl renommiertesten Künstler-Management-Agentur überhaupt, an Frontline Management von Irving Azoff (Christina Aguilera, the Eagles, Neil Diamond, etc.).

Damit bestätigt sich ein weiteres Mal die unterschiedliche Ausrichtung des 360Grad-Modells innerhalb der Musikbranche:
Während die Tonträgerindustrie händeringend versucht eine eigene Kundenbeziehung zum Endkunden aufzubauen und möglichst alle zwischen Label und Käufer liegenden Stufen der Wertschöpfung zu überspringen (Direct to Consumer/ D2C) denkt die TicketWelt anders: Ran an den Künstler (Direct to Artist/ D2A)!

LiveNation macht eigene Deals mit Madonna, U2 erhält gleich Aktienpakete, und Ticketmaster kauft sich die Agentur und das Netzwerk von Irving Azoff, gründet für diesen Zweck eine neue Unit und nennt sie:
Ticketmaster ENTERTAINMENT.
Das spricht Bände und zeigt wieder einmal (siehe unseren nationalen Platzhirschen CTS) die Metamorphose einer Ticketing-Bude zum Entertainment-Konzern.

Spannend ist die Sichtweise des Management-Urgesteins Irving Azoff, dem sicherlich niemand absprechen wird, er habe nun die Seite der Künstler verlassen und sei vom System „korrumpiert“ worden. Warum läßt sich so ein Guru der Musikwelt auf solch einen Deal ein?

Sicherlich, weil auch er es verdient hat einen Cashout zu generieren, aber ich denke auch aus anderen Gründen:
Wenn ich mich in der Welt von morgen ernsthaft um die Belange eines Künstlers kümmern will, geht das wahrscheinlich mindestens genauso gut mit einem Live-Entertainment-Anbieter, wie mit der Tonträgerindustrie. Denn womit verdienen Künstler heute maßgeblich? Nicht mehr mit CD-Abverkäufen wie in der guten alten Zeit, nein mit der Tour zur CD.
Vielleicht denkt Azoff weiter: Vielleicht denkt er schon an die CD zur Tour. Oder die CD, in der das Ticket zur Tour beiligt und die alleine berechtigt das Konzert zu besuchen… Ach was, wer kauft denn heute noch CDs?!

Rock and Roll!