Sebastian Castellio:
Contra libellum Calvini in quo ostendere conatur haereticos jure gladij coercendos esse.
Verfasst im Jahr 1554.
„Hätte Sebastian Castellio nichts geschrieben als diese Vorrede zu dem Buch „Von den Ketzern“ […] sein Name müßte schon unvergänglich bleiben in der Geschichte der Humanität.
Denn wie einsam erhebt sich diese Stimme, wie wenig Hoffnung hat seine erschütternde Beschwörung, gehört zu werden in einer Welt, wo die Waffen die Worte überklirren und der Krieg die letzten Entscheidungen an sich reißt.
Aber wenn auch unzähligemal von allen Religionen und Weisheitslehrern verkündet, immer müssen gerade die allmenschlichsten Forderungen der vergeßlichen Menschheit in Erinnerung gebracht werden.
„Zweifellos sage ich nichts“ , fügt der bescheidene Castellio bei, „was nicht andere auch schon gesagt hätten. Aber es ist niemals überflüssig, das, was wahr ist und gerecht, so lange zu wiederholen, bis es sich Geltung erzwingt.“
Weil die Gewalttätigkeit sich in jedem Zeitalter in andern Formen erneuert, muß auch der Kampf gegen sie immer wieder von den Geistigen erneuert werden; nie dürfen sie flüchten hinter den Vorwand, zu stark sei zur Stunde die Gewalt und sinnlos darum, sich ihr im Wort entgegenzustellen.
Denn nie ist das Notwendigste zu oft gesagt und nie die Wahrheit vergeblich.
Auch wenn es nicht siegt, so erweist doch das Wort ihre Gegenwart, und wer ihr dient in solcher Stunde, hat für seinen Teil bewiesen, daß kein Terror Macht hat über eine freie Seele und auch das unmenschlichste Jahrhundert noch Raum für die Stimme der Menschlichkeit.“
Aus: Stefan Zweig. Castellio gegen Calvin. Oder: Ein Gewissen gegen die Gewalt.
Veröffentlicht im Jahr 1936.