Prince in Berlin – Chronologie eines Ticketvorverkaufs. (Text aus dem Jahr 2014)

Ein kleiner Text, ein Eintrag im Blog eines kleinen Startups, das 2014 versucht hat, den Live-Markt disruptiv zu ändern.

Eine Art Reportage, die ich am 03. Juni 2014 auf der wunderbaren Plattform ticcats.de veröffentlicht habe – und die auch immer noch dieses Copyright trägt.

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ticcats.de war ein von mir gegründetes Startup, daß in den 3 Jahren zuvor zum größten Ticketsuchportal Deutschlands geworden war und 2 Jahre später (2016) in der Plattform prinz.de aufgegangen ist. Der Text ist daher leider nicht mehr wirklich im Netz verfügbar.

Es war das bisher erste und einzige Mal, daß ich und mein großartiges Team erlebt haben, wie Content “viral geht”. Dieser Text wurde in wenigen Stunden tausendfach geteilt, auf allen großen Nachrichtenportalen verlinkt und hatte bereits am ersten Tag über 50.000 Views.

Es ging um den legendären Prince. Und den Markt. Hier also der Text:


27. Mai 2014

Am 27. Mai kam für uns alle überraschend die Meldung, dass der große, exzentrische Prince für ein einziges Konzert nach Deutschland kommt. Das Konzert sollte am Dienstag, den 03. Juni im Tempodrom in Berlin über die Bühne gehen. Veranstalter: Dirk Becker Entertainment – ein Tochterunternehmen von (wer hätte es geahnt?) CTS Eventim

Prince ist unglaublich – sowohl aus musikalischer als auch musikökonomischer Sicht. Er geht in diesem Business schon seit langen Jahren seinen eigenen Weg und hält sich nicht mehr an die etablierten
Erlösmodelle. Im Zentrum des Prince-Ökosystems stehen die legendären Live-Shows. Sein letztes Album hingegen hat Prince als Gratisbeilage verschiedener Tageszeitung an die Fans „verschenkt“.

Aber: In den letzten 15 Jahren hat Prince in Deutschland gerade einmal sechs Konzerte gegeben!

Dies alles vorausgesetzt, begann der Vorverkauf für das Konzert in Berlin am 27. Mai um 12:00 Uhr – überraschend, ohne große vorherige Ankündigung, und nur eine Woche vor dem Konzerttermin.

Ins Tempodrom passen rund 4.000 Besucher – Dirk Becker Entertainment mag sich gedacht haben: „Die Nachfrage ist hoch, das Angebot ist knapp, was können wir da machen?! Na, lasst uns mal an der Preisschraube drehen. Denn wo die Nachfrage hoch ist, kann man ordentlich kassieren.“

Also: 2 Preiskategorien. 

  • Kategorie A: 332,15 EUR pro Karte. 
  • Kategorie B: 297,65 EUR pro Karte.

Wer übrigens bei solchen Preisen mit abzockt, ist das Ticketsystem. In diesem Fall also CTS Eventim. Ohne irgendein Risiko zu tragen, fallen in der Regel 10% oder mehr des Ticketpreises an Eventim. Einfach so (Wie sich Ticketpreise zusammensetzen haben wir Euch hier schon einmal aufgedröselt).

4.000 Karten mal durchschnittlich 300 EUR macht nach Adam Riese: 1,2 Mio. EUR Umsatz. An
Eventim gehen davon in der Regel also 120.000 EUR. Für was eigentlich noch einmal?

28. Mai 2014

Einen Tag nach Vorverkaufsbeginn waren problemlos noch für alle Kategorien Tickets zu ergattern. Nicht im Sinne des Veranstalters. Der möglicherweise, wie dargestellt, mit einem Ansturm völlig preisenthemmter Fans gerechnet hatte, die ohne Zucken die aufgerufenen Ticketpreise akzeptierten. Dem war nicht so.

Was nun passiert, hat Seltenheitswert: Es werden einen Tag nach Vorverkaufsstart nachträglich neue, günstigere Preiskategorien erfunden.

Kategorie C und D („Sitzplatz“ und „Hinterer Bereich Stehplatz“) für je 188,20 EUR.

Also: Immerhin rund 100 EUR je Ticket günstiger als die günstigste Kategorie vom Vortag.

Wer also am Tag zuvor, in der Angst das Konzert werde schnell ausverkauft sein, die noch teureren Tickets erworben hatte, musste sich jetzt schwer verschaukelt vorkommen. Pech gehabt!

Neben der Lehrstunde „Grundlagen: Fans verprellen I. Wie Konzert- und Veranstaltungsbusiness nicht funktioniert“ beginnt an diesem Tag noch ein zweites Seminar: „Aufbauseminar: Fans verprellen II. Kommunikation ist überflüssig.“

Dirk Becker Entertainment nimmt die Konzertankündigung von seiner Facebook-Page (es waren Unmengen an negativen Kommentaren darunter zu sehen) und ignoriert Presseanfragen (siehe Rolling Stone).

29. Mai 2014

Ticcats.de durchsucht alle wichtigen deutschen Ticketshops und vergleicht die Ticketpreise. Wir haben in den jetzt folgenden Tagen vor allem die Preisentwicklung auf dem Zweitmarkt verfolgt.

An diesem Tag quillt das Angebot an Prince-Tickets auf den Zweitmarktportalen noch über. Es ist weitestgehend unstrukturiert und für den Fan kaum zu verstehen. Und: Die Preise sind auf demselben Niveau wie auf dem Erstmarkt. Ein starkes Zeichen für die kaum vorhandene Nachfrage.

30. Mai 2014

Der Shitstorm auf der Fanpage von Dirk Becker Entertainment geht weiter. Ein erster User spekuliert auf die Absage des Konzerts:

Am Ende hat Prince sicherlich einen wichtigen TV Termin in den USA oder Dubai, so dass das Konzert leider abgesagt werden muß^^“.

Reaktionen von Dirk Becker Entertainment oder CTS Eventim auf die Wut der Fans gibt es weiterhin nicht.

31. Mai 2014

Unfassbar aber wahr: Die Ticketpreise werden erneut gesenkt. Ab heute gibt es die Aktion “Zwei Tickets zum Preis für eines (2 für 1)”.
Für 188,20 EUR erhalten Fans nun zwei Tickets in der günstigsten Kategorie. Buchbar nur über einen Direktlink bei Eventim.

Ergebnis: Das günstigste Ticket kostet ab heute 94,10 EUR. Rund 200 EUR weniger als noch vor 4 Tagen zum Beginn des Vorverkaufs.

Kommentar eines Fans auf Rollingstone.de:

Für mich bedeutet das, dass die Tickets jetzt ein Viertel von dem  Kosten, was ich bezahlt habe……. Und keiner fühlt sich bei Nachfragen dafür zuständig. Ich fühle mich SOOOOO verarscht, dass kann ich in  keine Worte fassen.

01. Juni 2014

Der Saalplan bei Eventim beweist: Das Konzert ist zwei Tage vor dem Auftritt trotz der nun deutlich verbilligten Tickets weiterhin noch längst nicht ausverkauft.

 02. Juni 2014

Auf Zweitmarktportalen werden erstmals Tickets angeboten, die günstiger sind als der Einkaufspreis. Also günstiger als der reguläre Ticketpreis. Der Rausverkauf hat begonnen.

02. Juni 2014 abends

Am Abend bevor das Prince Konzert stattfinden soll, findet sich auf der Homepage des Veranstalters der Satz:

Prince.
Berliner Show im Tempodrom abgesagt. Das für Dienstag, 03. Juni 2014, geplante Konzert mit Prince & 3RDEYEGIRL im Berliner Tempodrom muss aus produktionsbedingten Gründen abgesagt werden. Bereits gekaufte Konzertkarten können an der jeweiligen Vorverkaufsstelle zurück
erstattet werden
.“

03. Juni 2014

Auf der Fanpage von Dirk Becker Entertainment schreibt eine Userin:

Unfassbar, wirklich dermaßen unprofessionelles Umgehen mit Künstler, Venue und den Konzertbesuchern hab ich selten erlebt – und das nicht zum ersten Mal mit diesem Veranstalter. Vielen Dank für mal wieder nichts. Auf dem Geld für die Hotelbuchung bleib ich jetzt auch sitzen, glückwunsch. Ihr habt echt nen Knall.“

Von Dirk Becker Entertainment oder CTS Eventim weiterhin kein Kommentar.

Gerade wird bekannt, dass Prince ganz kurzfristig morgen, am 04. Juni, in London (Roundhouse)
zwei Konzerte geben wird. Eines um 17:30h und eines um 21:45h. Der Vorverkauf soll heute um 12:00h beginnen. Ticketpreise dieses Mal zwischen 92 EUR und 104 EUR.

Das Ticketkontingent für beide Konzerte ist nach 4 Minuten ausverkauft.

Anstatt ein Konzert in Berlin zu geben, wird Prince heute in Paris bei den French Open gesehen. Er hat sich dort das Achtelfinale des Tennisturniers angesehen.

Dirk Becker Entertainment deaktiviert noch gegen Abend auf der Facebook Fanpage die Rezensionsfunktion (dort war die Seriosität des Unternehmens durch die Kunden infrage gestellt worden) und löscht ganze Beiträge inklusive aller Kommentare durch die User.